Terroir
Terroir ist ein großes Wort in vieler Munde. Und es stimmt ja auch: Echter Wein wird vom Terroir geprägt, von einer Fülle unterschiedlicher Faktoren, die zusammenspielen und auf den Wein wirken:
Das Klima, mit seiner langfristigen Einwirkung von Temperatur, Feuchtigkeit und Wind, im Verlauf der Jahreszeiten, bestimmt von der Sonne und dem Winkel, in dem ihre Strahlen auf die Erde treffen. Das Mikroklima des Platzes, auf dem die Rebstöcke wachsen, aufgrund seiner speziellen, topographischen Bedingungen: der Höhe, der Hangneigung, der Himmelsrichtung. Das Wetter mit seinen Temperaturdifferenzen, mit Regen, Frost, Hagel und Wind. Der Boden, also physikalisch und chemisch verwittertes, mit organischen Stoffen durchsetztes Gestein. Er prägt den Ausdruck des Weins, abhängig von seinen Wasserkapazitätne und den Mineralien, die er an die Pflanze abgeben kann.
Und natürlich der Mensch, der mit seinen Entscheidungen den Wein prägt: Welche Rebstöcke pflanzt er, welche handwerklichen Methoden benutzt er, und welche Handschrift ist erkennbar.
Boden
Wenn wir Wein schmecken, meinen wir manchmal, auch den Boden zu schmecken. Fraglich ist, ob uns dies unmittelbar gelingt, mittelbar jedoch können wir den Boden wahrnehmen über Parameter wie Textur und Säure, deren Ausdruck von der Art des Bodens geprägt ist.
Was wir erkennen, schmecken und in Worte fassen können, ist der Charakter des Weins. Wein ist in seiner Komplexität das Ergebnis sehr vieler, unterschiedlicher Faktoren. Die Böden spielen dennoch eine entscheidende Rolle.
Boden ist physikalisch und chemisch verwittertes, mit organischen Stoffen durchsetztes Gestein. Er prägt den Ausdruck des Weins, indem er die Pflanzen mit Wasser versorgt und mittels seiner im Wasser gelösten Mineralien für die Ernährung und Gesundheit von Rebstock und Trauben sorgt. Sein Wasserspeichervermögen ist für die Pflanze so überlebenswichtig wie die Möglichkeit des Wasserabzugs. Boden ist nur für die Weine essentiell, die vom Terroir geprägt sein sollen. Der Einsatz von flach wurzelnden Unterlagen bei starker Mineraldüngung und maximalem Einsatz von Additiven im Keller marginalisiert den Bezug zwischen Gestein, Pflanze und Wein und macht den Boden lediglich zu einer Art gesichtslosem Trägermaterial.
Boden besteht aus Schichten. Ganz oben der Humus, der sich aus der Zersetzung pflanzlicher und tierischer Reste bildet. Darunter der mineralische Oberboden, immer noch gut vom Humus durchsetzt. Darunter der Unterboden, arm an Humus, mit seinem zu Sand, Schluffe und Ton chemisch verwitterten Gestein. Darunter der ursprüngliche, physikalischer Verwitterung ausgesetzte Fels. Je nach Klima und Erosion sind diese Schichten unterschiedlich stark ausgeprägt, im oberen Bereich durch Bodenbearbeitung auch durchmischt.
Unterschiedliches Gestein bietet unterschiedliche Mineralmenüs, unterschiedliches Wasserspeicher- und Wasserabzugsvermögen. Eine ausgewogene Ernährung und Wasserversorgung dürfte einer der Gründe sein, warum der Wein der einen Lage als besser gelten darf als der aus einer scheinbar gleichen Nachbarlage. Der Boden ist quasi der unterirdische Lebensmittelladen für den Rebstock.
Aufnehmen kann die Rebe die Mineralstoffe über die extrem dünnen Membranen der Wurzelhärchen an den feinen Wurzelenden. Wassermoleküle passieren hier ungehindert. Mineralsalze mit ihrer positiven Ladung werden mittels negativ geladener Moleküle aus dem Inneren der Pflanze aufgenommen. Stickstoff, Kalium, Calcium und Schwefel bauen Pflanzengewebe, andere Nährstoffe arbeiten im Chlorophylllabor oder aktivieren Enzyme, mit deren Hilfe in der Zuckerfabrik Kohlehydrate gewonnen werden.
Landschaft
Viele unserer Weine stammen aus Regionen, die uns reisende Städter mit ihrer Schönheit verzaubern, in denen die Weinbergsarbeit jedoch enorm anstrengend ist. Von Steilhängen und Terrassenlandschaften, in denen Handarbeit Pflicht ist, jeder Schritt mühsam und jede Last wirkliche Belastung. Höchste Qualität beim Wein gibt es eben dort, wo das Steigen schwierig ist und jeder Handgriff kostbar. Ohne dass er die Wahl hätte, übernimmt der Winzer, der immer häufiger eine Winzerin ist, neben den Produktionskosten auch jene für die Landschaftsgärtnerei. Indem er uralte Terrassen erhält, in schwierig begehbarer Landschaft Weingärten pflegt und mittels organischem oder biodynamischem Anbau einen Teil unserer Umwelt gesund erhält. Fahren Sie ´mal in die Cinque Terre, und besuchen Sie Samuele Heydi Bonanini, dann erfahren Sie unmittelbar, worüber ich gerade schreibe.
Uns gehen Vielfalt und Eigenständigkeit der Landschaften und ihrer Produkte zu Herzen und wir fühlen uns all jenen Winzern eng verbunden, die mit ihrer Arbeit unsere Welt in ihrer Vielfalt erhalten. Auch, weil eine Welt ohne Empathie ein Alptraum wäre, und wir nicht wollen, dass immer mehr Produzenten authentischer Lebensmittel ihren Beruf an den Nagel hängen.